Einführungsvortrag für die Diskussionsrunde am 11.04.19 von Erika Menzel und Paul Steinhauer

Frage: Was verstehen wir bei unserem Thema  unter Bildung und unter Reisen?
Wir meinen hierbei nicht unbedingt die hohe Bildung, die uns durch die Schule, die Uni o. a. vermittelt wird, sondern das, was man von anderen Ländern, Menschen, Kulturen lernen kann. Unter Reisen meinen wir nicht, dass man Styrum, Essen, Bochum oder Dortmund besucht, sondern wir verstehen Reisen als Fahrten oder Flüge in andere Erdteile, Länder, Städte.

Schon Joseph von Eichendorff dichtete vor 200 Jahren:

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt er in die weite Welt,
dem will er seine Wunder weisen
in Berg und Tal und Wald und Feld.

Die Trägen, die zu Hause liegen,
erquicket nicht das Morgenrot,
sie wissen nur von Kinderwiegen,
von Sorgen, Last und Not ums Brot.

Aber zu Eichendorffs Zeit war das Unterwegssein, das Reisen, nur wenigen vorbehalten. Mühsam war es -  zeitaufwendig, teuer und auch recht gefährlich. Land und Leute kennenzulernen, das war damals für Adel und begütertem Bildungsbürgertum der Hauptgrund, aufzubrechen und die fremde, weite Welt zu bereisen. Man hatte häufig schon vor Reiseantritt Kontakte zu seinesgleichen im Ausland. Man wollte sie besuchen, gemeinsam etwas unternehmen und voneinander lernen.

Inzwischen ist das Reisen demokratisiert. Viele können es sich leisten. So machen jedes Jahr gut drei Viertel der Deutschen eine Urlaubsreise -  überwiegend ins Ausland, ein kleinerer Teil davon aber auch in ferne Länder. Wenn man sich allerdings nur erholen will, am Strand liegend entspannen, meist nur mit dem Hotelservice Begegnungen hat, dann wird man sich wohl kaum weiterbilden können – oder wollen.

Die interessante Vielfalt des Alltags der Menschen auf dieser Welt, die vielfältigen und hochkomplexen Kulturen, die Sehenswürdigkeiten, Sprachen, Essen, Sitten, die religiösen und rituellen Unterschiede zumindest etwas kennenzulernen, bringt neue Erfahrungen  -  und somit bildet es natürlich auch. Es erweitert den persönlichen Horizont und Durchblick, macht uns kompetenter und kann vor Fehlurteilen und vorschnellen Reaktionen schützen – wenn irgendwo wieder ein gewalttätiger Anschlag erfolgt und deshalb eine ganze Kultur, Religion, ein ganzes Land und seine Menschen von heute auf morgen kritisch beäugt, infrage gestellt oder gar stigmatisiert werden.

Einige Zitate:

„Die Fremde ist wie ein Spiegel, in dem man sich neu entdecken kann.“

„Was wir sehen, ist nicht was wir sehen, sondern was wir sind.“

„Urteile niemals über einen Menschen, ehe du nicht eine Meile in seinen Mokassins gelaufen bist.“

Aber auch: Wilhelm Busch:

„Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel.“

Heute können sich schon die meisten leisten, zumindest kürzere Pauschalreisen zu buchen. Um sich aber durch Reisen bilden zu wollen, muss man allerdings bereit sein, möglichst viel über sein Reiseziel, die Menschen dort, das Leben, die Kultur, erfahren zu wollen. Und wenn man das anstrebt,  dann ist es keine Frage mehr, ob Reisen bildet.

Da wir jedoch nicht nur einseitig diskutieren wollen, fragen wir mal provokant:

„Wenn Reisen bildet, könnte man dann nicht den Umkehrschluss ziehen, dass Nichtreisen dumm hält -  oder sogar dumm macht?“

Text: Erika Menzel / Paul Steinhauer