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Jetzt habe ich leider doch wieder mehrere Sätze über Günters Wanderwetter geschrieben, obwohl es nicht ein Wetterbericht sondern ein Wanderbericht werden sollte. Also lest bitte den ersten Absatz nicht!

Da Ute und Michael kurzfristig ausfielen, trafen sich nur 10 Wanderwillige. Zügig ging es in den Uhlenhorst Richtung Broicher Waldweg. Interessantes wusste Günter am Hammerstein zu erzählen. Die Straße ist nach der Familie Hammerstein benannt. Walter Hammerstein hatte 1888 gemeinschaftlich mit seinen Brüdern eine Privatbank in Broich gegründet, zu der es auch in Berlin eine Filiale gab. Reich wurde man durch den Handel mit Wertpapieren, besonders mit Anteilsscheinen an Bergwerken.

Walter Hammerstein wollte im Broich-Speldorfer Waldgebiet eine Gartenstadt nach englischem Vorbild gründen, um gesundes Wohnen für potente Familien zu ermöglichen und Steuereinnahmen für die Stadt. Er gründete mit mehreren Industriellen 1906 die „Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt AG“ und trat an den Oberbürgermeister heran, dass die Stadt Mülheim einen formellen Bebauungsplan beschließen sollte. Mit Broschüren wurde geworben. Interessant sind diese Auszüge aus dem Werbetext:

„Die Wohnungsfrage ist für den rheinisch westfälischen Industriellen fast brennender als für alle anderen Stände. Innerhalb des Reviers ein Fleckchen Erde zu finden, das vom Ruße der Schornsteine, das vom Staub der Straßen, vom Lärm der Fabriken, von den giftigen Dünsten der Hochöfen nicht erreicht wird, ist fast zur Unmöglichkeit geworden. […] Auf die frühere, viel beklagte Landflucht folgt als natürliche Gegenwirkung die Stadtflucht. Man sehnt sich aus dem nervenzerrüttenden Lärm, aus dem Hasten und Jagen der Großstadt hinaus auf das Land, wo man ruhiger und freier zu wohnen und womöglich in einem Garten ein Stückchen Erholung zu finden hofft.“

Da aber wegen des Ersten Weltkriegs und der folgenden Wirtschaftskrise zu wenig Grundstücke verkauft waren, wurde 1933 das Projekt aufgegeben.

Auf schmalen, teilweise recht zugewachsenen Pfaden erreichten wir den sogenannten Fliegerberg. Während der NS-Herrschaft wurden auf dieser abschüssigen Sandlichtung in den dreißiger Jahren Jugendliche an den Segelflugsport herangeführt, um Nachwuchs für die Luftwaffe zu gewinnen. Man kann von hier bis ins Rheintal hinab blicken.

Auch über den Streithof, vor dem wir eine kurze Pause machten, konnte Günter Interessantes berichten:

Der Königliche Geheimrat, Kommerzienrat und Generaldirektor Emil Kirdorf (1847 – 1938) war einer der prominentesten Vertreter der deutschen Wirtschaft. Er ließ den Streithof als vorgesehenen Alterswohnsitz planen und bauen. Kirdorf war ein Befürworter Bismarcks, Gegner Kaiser Wilhelms II., aber auch der Weimarer Republik. 1927 kam er mit Hitler zusammen. Er sah in ihm den Mann, der die politischen Probleme in Deutschland überwinden und den Deutschen ihren Nationalstolz zurückgeben würde. Er setzte sich beim Reichspräsidenten Paul von Hindenburg für die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler ein. Hitler und andere Prominente besuchten auf Kirdorfs Einladung mehrfach den Streithof. Nach dem Weltkrieg wechselten Besitzer und Bewohner.

Bevor wir unseren Genussabschluss bei „Drago“ nach rund 10 Kilometern vornahmen, erzählte uns Günter noch einiges über das Landhaus „Villa Anita“. Fritz Thyssen (1873 – 1951) hatte diesen Herrensitz um 1910 errichten lassen. In der Nazizeit wurden hier Kindergärtnerinnen ausgebildet. Durch einen Brand zerstört, ist das Gebäude im Landhausstil 2003 wiederaufgebaut worden. Auch über die Grillos und ihr Anwesen im Uhlenhorst erfuhren wir Interessantes.

Günter Fraßunke hat auch bei dieser Wanderung nicht nur für unsere körperliche und geistige Fitness gesorgt. Er zeigte uns wieder, wie schön und interessant unser Mülheim ist. Wir haben auch einem Hirschkäfer helfen können und einige Schnecken gesehen, die uns allerdings trotz unseres moderaten Wandertempos nicht verfolgen konnten.

Text und Fotos: Paul Steinhauer