Wer kennt diese altbekannte „Begrüßungs“-Formel zu Beginn eines Märchens nicht?

Man könnte diese formelhafte Einleitung so interpretieren: Vielleicht sollte dem Leser/Zuhörer im Sinne von „wahr“ ein Stückchen Wirklichkeit vorgespiegelt werden – vielleicht in dem Sinne: Es könnte sich dieses Märchengeschehen auch heute andeutungsweise wiederholen?!

Dieser Begrüßungs-/Einleitungssatz könnte auch eine Momentsituation widerspiegeln, die auf eine Weiterführung des Märcheninhalts neugierig macht …??

Neben diesem beispielhaften „Es war einmal …“ gibt es in Grimms Märchensammlungen noch etliche, verschieden abgewandelte Einleitungssätze, die inhaltlich das Gleiche aussagen und im Wiedererkennungswert auch Sicherheit und Vertrautheit vermitteln, z. Bsp. über Zeitangaben:
„Vorzeiten war …“ (aus „Tischlein deck dich“)
„Es lebte einmal …“ (aus „Gänsemagd“)
„Eines Abends …“ (aus „Trommler“)
„Zur Winterszeit, als …“ (aus „Der goldene Schlüssel“)

Oder: In seltenen Fällen wird im Einleitungssatz schon ein religiöser Bezug genannt:
„Vorzeiten, als Gott noch selbst auf Erden wandelte …“ (aus „Kornähre“)
„Es war 300 Jahre vor des Herren Christi Geburt …“ (aus „12 Apostel“)
Der Hintergrund hierzu ist vermutlich: Der Glaube an Gott schafft Vertrauen in die Wahrheit der Märchen.

Oder: Durch Ortsbestimmungen werden Wahrheitsgehalte glaubhaft gemacht:
„In der Schweiz …“ (aus „Das Mädchen von Brakel“)
„Ostindien …“ (aus „3 schwarze Prinzessinnen“)

Oder: Nicht selten sagen Anfangssätze etwas aus über die Märchen-Hauptpersonen, die in Schwierigkeiten sind:
„Ein armer Mann … (aus „Goldkind“)
„Ein alter König …“ (aus „Der treue Johannes“)
„Lange kinderlos …“ (aus „Dornröschen“)
„Zu kinderreich …“ (aus „Herr Gevatter“)

Oder: Oftmals spiegelt sich bereits im Märchentitel eine soziale Stellung oder Situation wider, zum Beispiel alt und arm:
„Die alte Bettelfrau“
„Der alte Großvater und der Enkel“

Wie schön eigentlich für Leser oder Zuhörer, dass viele Menschen, die zu Beginn des Märchentextes elend dastehen, am Märchenende jedoch reich und glücklich leben!
Und damit bin ich schon bei den Schlussformulierungen in Märchen. Aber das ist ein Thema für einen anderen Beitrag.

Text: Kathrin Kruse
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